Vortrag: Entwicklung verschiedener Gerechtigkeitsvorstellungen als Strategie gegen Politikverdrossenheit

Dr. phil. Karin B. Schnebel hat auf der Tagung der Arbeitsgruppe Hermeneutische Politikdidaktik in der Gesellschaft für Politikdidaktik und politische Jugend- und Erwachsenenbildung vom 8.-9. April 2016 an der Universität Potsdam einen Vortrag mit dem Titel „Entwicklung verschiedener Gerechtigkeitsvorstellungen als Strategie gegen Politikverdrossenheit“ gehalten.

Kann das Aufzeigen von verschiedenen Gerechtigkeitsvorstellungen eine Strategie gegen Politikverdrossenheit sein? Hier wird davon ausgegangen, dass Politikverdrossenheit teilweise daraus resultiert, dass typische politische Gerechtigkeitsdilemmata den Bürgerinnen und Bürgern oftmals nicht bewusst sind. Viele fühlen sich immer wieder von der Politik enttäuscht oder hingehalten. Ein Teil davon ist nicht zuletzt auch dadurch begründet, dass die Politik mit unerfüllbaren Erwartungen konfrontiert wird. Die Thematisierung solcher Erwartungen ist vor diesem Hintergrund für die politische Bildung eine wichtige Aufgabe.
Gerade beim Thema Gerechtigkeit bieten sich für die politische Bildung interessante Anknüpfungspunkte: Es geht darum, die Legitimität unterschiedlicher Interessen und Wertvorstellungen zu akzeptieren und zu erkennen, dass es unmöglich ist, jedem Interesse gerecht zu werden. Gerechtigkeit kann nicht einfach politisch gelöst werden, denn der Konflikt der unterschiedlichen Auffassungen von Gerechtigkeit bleibt bestehen. Dies würde beim Versuch verdeutlicht werden, demzufolge Gruppen von Menschen sich gemeinsam Gedanken über eine gerechte Gesellschaft machen. Ist es gerecht, wenn man sich, wie Rawls, einen Schleier des Nichtwissens vorstellt, in dem sich dann alle ein Ideal einer gerechten Gesellschaft ausdenken oder ist es gerecht, wenn man, wie Dworkin, vorschlägt, allen die gleichen materiellen Voraussetzungen geben müsste. Sind unterschiedliche Begabungen, die dann zu unterschiedlichen Chancen führen, gerecht? Welchen Ausgleich müsste es dann für weniger begabte Menschen geben? Oder ist es vielleicht doch am gerechtesten, wenn der Staat nur Eigentum, Leben und Freiheit schützt, so wie Nozick es propagiert?
Dieser Vortrag will unterschiedliche Formen von Gerechtigkeit thematisieren und aufzeigen, wie dies für den Sozialkundeunterricht nutzbar gemacht werden kann. Es soll deutlich gemacht werden, dass je nach Gerechtigkeitsvorstellung eine demokratische Gesellschaft zwar bedroht werden kann, dass aber für eine freie demokratische Gesellschaft das Ideal der Gerechtigkeit auch konstitutiv sein muss. Die zentrale These ist, dass gerade die Reflexion über Gerechtigkeit und das Hineindenken in ungerechte Situationen in einer demokratischen Gesellschaft eine Strategie gegen Politikverdrossenheit sein kann und den Zusammenhalt innerhalb der Gesellschaft stärken kann.

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